BUND-Kreisgruppe Rhein-Sieg

Klimawandel vor Ort - Konventioneller Obstanbau in Wachtberg

28. Oktober 2022

Himbeeren, Stachelbeeren und Erdbeeren, kleinere Flächen mit Äpfeln, Birnen und Zwetschen bilden das Portfolio des Wachtberger Obstanbaubetriebes, der im Rahmen der Reihe "Klimawandel vor Ort" eine informelle Führung entlang seiner Anbauflächen ermöglichte.

25 Grad Ende Oktober - sommerliche Temperaturen im Spätherbst ließen die Aktualität der übergeordneten Thematik spüren: Der Klimawandel ist da. Höhere Durchschnittstemperaturen, zahlreiche Tage mit intensiver Sonneneinstrahlung und lange Trockenphasen machen sich mehrfach bemerkbar, erklärten die Betriebsleiter:

  • So muß die Apfelsorte "Berlepsch" aus dem Sortiment genommen werden: "Sie kommt mit der Hitze nicht klar".
  • Neue, wärmeliebende Schädlinge, wie der "Kalifornische Trips", suchen seit einigen Jahren die Stachelbeeren heim.
  • Auch der Befallsdruck durch Blutläuse ist wärmebedingt gestiegen.
  • Beeren- und Kernobst erleiden Sonnenbrandschäden, weshalb die hellen Folientunnel bzw. Hagelnetze abgedunkelt werden müssen.
  • Häufigere Hagelunwetter lassen den ungeschützten Freilandanbau zunehmend zum Hochrisiko werden. Wiederholt gab es dadurch totale Ernteausfälle.
  • Da es wärmer wird, muß das empfindliche Obst auch in der (früher) kälteren Jahreszeit in gekühlten Lagern untergebracht werden.

Wachsendes Problem im Klimawandel: Steigender Gesamtwasserbedarf

Vor allem die Wasserversorgung der Sonderkulturen bereitet zunehmend Sorge: Beerenobst benötigt zur marktfähigen Entwicklung ausreichend Wasser zur richtigen Zeit. Obwohl Verdunstungsverluste durch bedarfsgerechte Tropfenbewässerung und Folienabdeckung von Pflanzwällen (bei Erdbeeren) minimiert werden, steigt durch anhaltende Dürre und Hitze der Gesamtwasserbedarf. Niederschläge fallen klimawandelbedingt eher unregelmässig, so dass die zusätzliche künstliche Bewässerung immer wichtiger wird.

Mangels Quellen muss nach Auskunft der Obstlandwirte dazu teures Trinkwasser aus Leitungen des öffentlichen Versorgers verwendet werden. Zwar sorgt der örtliche Wasser- und Bodenverband, dem auch der Wachtberger Betrieb angehört, für die nötigen Leitungen, die das Wasser auf die Felder bringen, doch das kostet: Weitläufig verteilte Anbauflächen erfordern ein umfangreiches Leitungssystem. Bedarfsspitzen und niederschlagsarme Phasen sollen künftig durch den geplanten Bau eines weiteren großen Wasserspeichers abgepuffert werden.

Kann es im Hinblick auf die Wasserversorgung langfristig so weitergehen?

Höhere Wasserbedarfe stetig weiter zu befriedigen kann keine nachhaltige Strategie für die Zukunft sein. Hiermit beschäftigt sich der aktuelle BUND-Standpunkt "Bewässerung landwirtschaftlicher Nutzflächen":

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Klimawandel pusht Erzeugerkosten

Hoher Wasserbedarf durch den Klimawandel verbunden mit steigenden Energie- und Lohnkosten machen den regionalen Obstanbau teuer. Zwar vermarktet der Obsthof in Wachtberg einen Teil seiner Erzeugnisse (10%) direkt an lokalen Verkaufsständen, wo sie anspruchsvolle Kunden erreichen, die bereit sind, für regionales Obst tiefer ins Portemonnaie zu greifen, doch Hauptabnehmer sind Discounter wie Lidl und Aldi.

Sie ordern - über den zwischengeschalteten Großhändler - große Mengen verlässlich einwandfreien und gleichzeitig preiswerten Obstes, um durch Massenverkauf befriedigende Gewinnspannen zu generieren. Woher das billige "Bilderbuchobst" kommt, ist den marktbeherrschenden Großabnehmern letztlich egal.


Wasserimport aus "trockenen" Ländern

Das in Wachtberg konventionell produzierte Beerenobst muß also mit preiswerter Importware aus Südeuropa und außereuropäischen Ländern (Nordafrika, Mittelamerika) konkurrieren. Kostensteigernde Umweltauflagen und Sozialstandards gibt es dort oft nur rudimentär. Knappe Wasservorräte werden in diesen Ländern zugunsten billig produzierter Maximalerträge geplündert. "Wir importieren mit diesem Obst Wasser von dort, wo es ohnehin knapp ist", bringt es der Obstbauer auf den Punkt. Es ist paradox, dass Erdbeeren aus Marokko, Heidelbeeren aus Peru trotz weiter Flugzeug- oder Schiffstransporte weniger als das regional vor Ort erzeugte Obst kosten.

Ein Dilemma, dessen sich viele Verbraucher nicht bewusst sind: Die Kunden kaufen nach Preis und Optik, um ihren Wunsch, zu jeder Jahreszeit frisches Obst - woher auch immer - konsumieren zu können, zu erfüllen. Es sind also Wege gefragt, die sowohl den Aufwand bei der Produktion reduzieren als auch die Auswahl der Kulturfrüchte den veränderten Klimabedingungen anpassen. Regionale Vermarktung verkürzt nicht nur Lieferwege, sondern kann, begleitet durch vermehrte Aufklärung, das Verständnis der Konsument*innen für die Anbauherausforderungen erhöhen.

Künstliche Bewässerung im derzeit praktizierten Umfang wird klimawandelbedingt zunehmend problematischer und kann keine Dauerlösung für den Anbau von Nahrungsmitteln sein: Wasserressourcen werden dadurch an anderer Stelle entzogen  und fehlen dem Grundwasser, dem Trinkwasser, den Lebensräumen.

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