BUND-Kreisgruppe Rhein-Sieg

Klimawandel vor Ort – unterwegs in einer Apfelplantage

09. April 2022

Die eher ungemütlichen Witterungsbedingungen am Samstag hielten die kleine Gruppe Interessierter nicht davon ab, sich vor Ort über Auswirkungen und Folgen des Klimawandels zu informieren. Der BUND des Rhein-Sieg-Kreises hatte den Bio-Landwirt Lothar Krämer gebeten, am Beispiel des Obstanbaus und direkt „vor Ort“ aufzuzeigen, wo und wie der Klimawandel sicht- und spürbar ist. Bei dem Weg durch die Apfelplantagen lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welchen Einfluss die Wetterbedingungen, aber auch die Auswirkungen von Thermik, Standort, Obstsorte, Stammhöhe, Stand der Knospen- und Blütenentwicklung auf Entwicklung, Reife und Lagerung des Obstes haben.

Zunehmend sind die Winter wärmer, was zu einem früheren Vegetationsstart führt. So fand das Blütenfest früher im Mai statt; jetzt beginnt die Blüte oft ca. drei Wochen früher. Der Obstbauer freut sich immer über kalte und feuchte Wintermonate, denn je später der Knospenaufbruch beginnt, um so geringer ist die Gefahr des Erfrierens – und je größer die Frostgefahr, um so wichtiger und aufwändiger werden die Schutzmaßnahmen. Der demeter-Bauer Krämer weiß, wovon er spricht: 2011 und 2017 führten die Spätfröste auf seinen Plantagen zu einem Teil- bzw. Totalausfall der Ernte. Dies war nicht zuletzt der Lage seiner Plantagen in einer Mulde geschuldet. Hier können in einer frostigen Nacht die
Temperaturen noch einmal ca. zwei Grad niedriger sein als im Meckenheimer Stadtgebiet. Frostnächte sind um so gefährlicher für Knospen und Blüten, wenn es sehr trocken und windig ist. Denn – so lernten die Teilnehmernden – Wasser zieht Wärme hoch und erhöht die Temperatur in der Plantage.

Welche Alternativen hat ein Obstbauer, um Ernteeinbrüche zu verhindern? Lothar Krämer hat auf die sich verändernden Witterungsbedingungen reagiert, indem er verstärkt Apfelsorten anbaut, die später blühen und einen Hochstamm haben. Zwar ist ein Obstbaum mit niedrigerem Stamm leichter abzuernten, aber seine Wurzeln sind eher flachwurzelnd und der Baum ist nicht so standfest. Hochstämme dagegen finden Wasser auch in tieferen Schichten, sind standfester und widerstandsfähiger. Da die Gefahr eines Erfrierens eher für die unteren Baumbereiche besteht, wird durch höheren Baumwuchs auch die Gefahr des Erfrierens von den höheren Knospen bzw. Blüten geringer, die Reifeentwicklung ist weniger störanfällig. Mit verschiedenen Methoden wird versucht, Frostschäden zu minimieren. Lothar Krämer berichtet von Versuchen mit Heizöfen, die mit Propangas gespeist werden. Dieses Verfahren erwies sich als aufwändig und wenig effektiv im Freiland. Frostgefahr-Abwehr mit Hilfe von Kerzen-Lagerfeuern kann hilfreich sein, funktioniert aber nur bei kleineren Kulturen. Wenn 400 oder 500 Kerzen-Eimer benötigt werden, die jeweils ca. 12 Stunden brennen, entwickelt sich nicht nur eine enorme, aber wirksame Rußschicht in der Luft, sondern diese Maßnahme verursacht ebenfalls einen hohen Kosten- und Personalaufwand. Aktuell hat sich beim Bio-Landwirt der Einsatz eines speziellen Windrades bewährt. Auch diese Maßnahme war und ist nicht einfach umzusetzen: Ein Windrad benötigt normalerweise ein festes, ausreichend großes Fundament, verbraucht viel Dieselkraftstoff und führt zu Lärmbelästigungen; die Nutzung ist außerdem mit relativ hohen Auflagen verknüpft.

Mehrere Meckenheimer Landwirte haben sich nun zusammen geschlossen und planen die Anlage mehrerer Bewässerungsbecken (Gesamtvolumen ca 80.000 m³). Mit dem Wasser sollen die Bäume bei Frostgefahr gerieselt werden. Die Erstarrungswärme beim Gefrieren des Wassers sorgt dafür, dass die Blüten auf einer Temperatur von ca. 0°C gehalten werden können. Diese Methode benötigt jedoch viel Wasser und einen riesigen Wasserspeicher. Im Gespräch wird deutlich: Auch ein ökologisch und nachhaltig arbeitender Landwirt muss immer wieder Kompromisse schließen und abwägen: Wie kann die Menge des benötigten Wassers, von Gas bzw. Strom möglichst gering gehalten und dennoch die Ernte nicht gefährdet werden?

Neben der zunehmenden Frostgefahr nennt Lothar Krämer weitere klimatische Auswirkungen: Während der letzten sehr heißen Sommer verdarben viele Äpfel durch Sonnenbrand; die Vegetation vertrocknete und veränderte sich. Der Starkregen im vergangenen Sommer überflutete ganze Plantagen. Auch die Pilz- und Insektenpopulation ist in Veränderung und erfordert Umdenken und alternative Handlungsperspektiven. Landwirte, die versuchen, im Einklang mit der Natur zu arbeiten, auf chemische Unterstützung zu verzichten und möglichst nachhaltig zu arbeiten, sind oftmals auf die Methode „Versuch und Irrtum“ angewiesen. Ihr Ziel ist, zunehmend mehr Resilienz zu erreichen und möglichst vorsorgend und schnell auf Veränderungen zu reagieren, denn eine „Reparatur“ ist im Nachhinein, anders als im konventionellen Anbau, nicht mehr möglich.

Manch einer der Teilnehmenden verlässt die Führung durch die Plantagen eher nachdenklich. Denn wem ist beim Einkauf schon bewusst, wie viel Fachwissen, Technik- und Personaleinsatz es benötigt, bis das Obst im Laden liegt? Der Klimawandel erfordert zunehmend auch bei der Versorgung mit gesunden Lebensmitteln immer größere Anstrengungen.

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