BUND-Kreisgruppe Rhein-Sieg

Fichtenkahlschlag in den FFH-Schutzgebieten

23. August 2019 | Borkenkäfer

 (Kurt Seebauer, Bayerischer Wald kahlgefressen, CC BY-SA 3.0)

Wie die Axt im Walde – Fichtenkahlschlag in den FFH-Schutzgebieten

Der BUND fordert einen Stopp des weiteren Kahlschlags in den Fauna-Flora-Habitat-Gebieten, die Umsetzung der gebotenen FFH-Prüfpflicht und die Umsetzung tragfähiger Lösungsstrategien für den Aufbau eines nachhaltigen Dauerwaldes aus heimischen Laubbäumen. „Wer jetzt großflächigen Kahlschlag betreibt, wiederholt die Fehler der Vergangenheit noch einmal!“, darauf weist Achim Baumgartner, Sprecher des BUND Rhein-Sieg-Kreis, hin. Der Einschlag und das Räumen des Holzes führen zu massiven Schäden in der Bodenstruktur, entziehen dem Wald einen enormen Holzvorrat und erschwert die Entwicklung eines Waldes aus der Naturverjüngung heraus. Kahlschlagflächen sind heiß, trocken und bei Frost besonders kalt. Widrige Bedingungen also für z. B. kleine Rotbuchenkeimlinge, die eigentlich im Schutz von älteren Bäumen heranwachsen. Die Rotbuche ist eine zentrale Zielart in den Wald-FFH-Gebieten des Kreises und daher mit ihren Bedürfnissen besonders zu beachten.

Ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich ist es, tote Fichten als Schutz einer Naturverjüngung großflächig zu erhalten und diese schützende Kulisse zur helfenden Basis eines naturnahen, klimastabilen Waldes zu machen. Im Nationalpark „Bayrischer Wald“ wurde genau diese Entwicklung vorgemacht, sie hat damit fachlich nachahmenswerte Maßstäbe gesetzt.

Tote Bäume dagegen mit schweren Maschinen zu räumen, die Bodenstruktur zu zerstören, jedweden Wetterschutz für die nächste Baumgeneration zu beseitigen und dadurch eine spätere, teure Aufforstung zu erzwingen, die hohe Ausfälle durch Trockenheit haben wird, ist nicht zeitgemäß und auch wirtschaftlich unsinnig.

In den FFH-Gebieten, die vorrangig dem Schutz der Natur dienen, darf erwartet werden, dass nach tiefgreifenden Veränderungen wie dem flächigen Sterben der Fichte, die Fragen der weiteren Bewirtschaftung in fachlich versierten, naturwissenschaftlich kundigen Gremien erörtert werden, dass dabei naturschutzfachliche und waldökologische Aspekte mit hoher Priorität berücksichtigt werden und für hunderte Hektar große Eingriffe in europäischen Schutzgebieten die erforderliche FFH-Prüfung auch erfolgt.

Rechtlicher Hintergrund

Das großräumige Räumen von Flächen mit Käferbefall schadet den Schutzzielen des FFH-Gebietes und ist daher nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes (Urt. v. 10.01.2006 - C-98-03 -, NVwZ 2006, 319) im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung kritisch zu hinterfragt. Die großflächige Entnahme von Holz führt nicht nur zu großflächigen Schäden und Störungen, sondern entnimmt dem Schutzgebiet auch wertvolle Lebensraumstrukturen und (potentielles) Totholz.

Juristisch geht es um die Frage, ob die aktuellen Eingriffe ein „Projekt“ darstellen und damit die Pflicht zur FFH-Prüfung ausgelöst wird. „Entscheidend für das Vorliegen eines Projekts ist nach der zitierten Entscheidung des EuGH (Urt. v. 10.01.2006 - 9 C 98/03 -, a.a.O.), ob eine Tätigkeit zu erheblichen Beeinträchtigungen der Umwelt in einem FFH-Gebiet führen kann. Projekte sind daher auswirkungsbezogen zu fassen (vgl. Frenz/Müggenborg, BNatSchG, Kommentar, 2011, § 34 Rdnr. 28).“ (VG Hannover, Urteil vom 31. Januar 2013 – 4 A 5418/12, Rn. 42 ff.). Insofern legitimieren auch bestimmte Regelungen im Landschaftsplan oder in einer Schutzgebietsverordnung die Maßnahmen nicht automatisch, da sie europarechtliche Vorgaben nicht zu brechen vermögen.

Aus dem Urteil aus dem Jahre 2006 folgt, dass landwirtschaftliche, fischereiliche oder eben forstwirtschaftliche Nutzung auch dann unter den Projektbegriff fallen kann, wenn sie der guten fachlichen Praxis entspricht. Es muss geprüft werden, ob sie zu erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets führen kann. Dies ist auch dann der Fall, wenn die eigentliche Schutzverordnung, etwa ein Landschaftsplan, solche erheblichen Beeinträchtigungen zulässt, da die Verordnung ausschließlich EU-rechtskonform ausgelegt werden darf. Unwirksame Passagen dürfen nicht angewendet werden.

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