BUND-Kreisgruppe Rhein-Sieg

Die Hochwasserkatastrophen von morgen werden gerade vorbereitet - Landeswassergesetz und Bauleitplanung müssen dringend angepasst werden

05. August 2021 | Pressemitteilung

Bildquelle: Pixabay

Rhein-Sieg-Kreis, 03.08.2021: Die Flutkatastrophe vom 14. / 15. Juli liegt etwa zwei Wochen zurück. Die politische Aufarbeitung hat gerade erst begonnen. Doch etliche Problemfelder sind offensichtlich. Es liegt nun wesentlich an der fachkundigen Aufklärung durch die Medienvertreter*innen, die Verbindungen herzustellen und regelmäßiges politisches Versagen in den letzten Jahren auch als solches sichtbar zu machen. Es muss jetzt zu einem wirksamen Umsteuern kommen.

Kaum zwei Monate vor der Juli-Flutkatastrophe hat die Landesregierung in NRW gegen den Widerstand der mahnenden Naturschutzverbände das Landeswassergesetz (LWG) geändert. Es ist am 18.5.2021 in Kraft getreten. Es führt zu zahlreichen Verschlechterungen im Gewässerschutz und erhöht das Risiko von Flutkatastrophen maßgeblich. Insbesondere wurde ein Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand entlang der Gewässer zu Gunsten von Gewässerschutzmaßnahmen gestrichen und die vorläufige planerische Sicherung von Überschwemmungsgebieten erschwert!

Im Einzelnen:

  • Die Nutzung der Wasserkraft wird im neuen LWG pauschal gefördert, obwohl gerade die Wasserkraftnutzung zu erheblichen Schäden an den Gewässern beiträgt und diese wesentlich verbaut. Der auch von der EU eingeforderte Rückbau von Stauwehren auch der Wasserkraft wird dadurch erheblich behindert. (§ 28 (1) und (2))
  • Der Schutz von Gewässerrandstreifen wurde deutlich geschwächt. Der weitreichende Schutz wurde im Vergleich zur alten Fassung des LWGes gestrichen. (§ 31)
  • Niederschlagswasser darf wieder in Mischwasserkanale abgeführt werden. Die Anpassung auch von Altanlagen an den Standard der ortsnahen Versickerung wird dadurch abermals oft verschoben. (§ 44 (1) Satz 2)
  • Ein Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand zur Flächengewinnung, wie sie für hochwassersichere Flüsse notwendig ist, wurde im Gesetz gestrichen. (§ 73)
  • Ebenso gestrichen wurde das Instrument zur vorläufigen Sicherung von Überschwemmungsgebieten. (§ 83)
  • Hintergrund: wassernetz-nrw.de/wp-content/uploads/2020/07/STN_Naturschutzverbaende_LWG_2020.pdf

Dem Hochwasserschutzkonzept des Landes NRW fehlt eine Klimaanpassung. Die bestehenden Hochwasserkarten berücksichtigen keine Prognose mit sich verändernden Klimamodellen. Sie fußen stattdessen auf rückblickenden Statistiken. Bei einer Zunahme der Wasseraufnahmekapazität der Luft um 7% bei einem Grad Temperaturerhöhung ist klar, dass bei einer voraussichtlichen Erwärmung um durchschnittlich 2°C die Abflussberechnungen für die Hochwasserspiegellagen für anzunehmende Hochwasserereignisse ebenfalls angepasst werden müssen. Trotz der Pflicht aus der EU-Richtlinie zum Hochwasserrisikomanagement (Artikel 14 (4) der RL) erfüllen die Planungen in NRW diese Vorgabe nicht, sie behaupten lediglich, diese zu erfüllen. Es heißt im Bericht, es würden mit der Verwendung aktueller Statistiken bereits eintretende Klimaveränderungen berücksichtigt (S. 6). Der Vorsorgecharakter des Artikel 14 (4) wird jedoch damit nicht erfasst und damit gerade das Bauen in Risikogebieten weiter planerisch entgegen jeder Vernunft ermöglicht.
Hintergrund: www.flussgebiete.nrw.de/system/files/atoms/files/hwrm_nrw_aktualisierung_hwgk_hwrk_final-2019-12.pdf  (S. 6)

Zugleich halten etliche Kommunen an verfehlen Bauvorhaben im Gefahrenbereich der Gewässer fest. Sie bereiten hier aktiv die Katastrophen von morgen mit vor. Dringend aufzuheben ist die Bauleitplanung der Stadt Troisdorf für das Baugebiet „Auf dem Grend“, das sich vollflächig im Risikobereich des Sieghochwassers befindet! Ebenso ist es nicht mehr denkbar, das geplante Gewerbegebiet Zange II in der Überschwemmungsaue der Sieg noch verantwortungsvoll umzusetzen. Keineswegs zulassungsfähig ist zudem die geplante Seniorensiedlung am Pleisbach in Königswinter-Oberpleis.
Der nächste Schritt, die Auen von störenden Baulasten zu befreien, die einer naturnahen und hochwassermindernden Entwicklung der Siegaue im Wege stehen, steht aus. Betroffen sind oft Sportanlagen, da diese durch einen bauplanerischen Trick zu Lasten der Gewässerschutzziele auch außerhalb der Ortslagen errichtet werden dürfen. Zu nennen sind z.B. Anlagen wie der Meindorfer Sportplatz (Sankt Augustin), der Sportplatz in Windeck-Herchen und -Lindenpütz.  
Eine Übersicht findet sich dazu auch in unserer Pressemitteilung vom 8.6.2021. www.bund-rsk.de/service/presse/detail/news/starkregen-offenbart-bau-undplanungsmaengel-auen-mehr-raum-lassen-und-neu-schaffen/

Die Flüsse brauchen mehr Raum. Das Siegauenkonzept aus den Jahr 2006 / 2007 hat 14 potentielle Flächen für zurückgewinnbare Retentionsräume an der Sieg lokalisiert. Alle bisherigen Versuche, solche Räume zu öffnen oder Deiche ins Landesinnere zurück zu verlegen, scheiterten am Widerstand der Kommunen. Namentlich zu nennen sind die Deiche in Troisdorf, Siegburg-Kaldauen (Straßendamm), Buisdorf und Hennef. Die oft nur fiktive Sorge um möglicherweise feuchte Kellerwände bei angrenzenden Gebäuden hat stets dafür gesorgt, dass eine Katastrophenvorsorge gegen Extremhochwässer unterblieb. Stattdessen wurden bereits zahlreiche Deiche mit extrem hohem Aufwand und hohen Kosten auf der alten Deichlinie saniert. Anpassung wurde verweigert! Hier sind die Ratsver-treter*innen der Siegkommunen aufgerufen, sich selbstkritisch zu fragen, ob sie zu lokal mitunter unbequemen aber klimaangepassten Gemeinwohlentscheidungen überhaupt bereit sind.  
Hintergrund: docplayer.org/24209093-Siegauenkonzept-angebotsplanung-fuer-die-sieg-im-gewaesserauenprogramm.html   (Seiten 80 ff.)

Die Niederschläge werden immer schneller aus der Landschaft abgeleitet. Ungestörte oder behutsam kultivierte Böden können jedoch erhebliche Wassermengen versickern und dem Grundwasser zuführen. Es bedarf hier einer Landschaftsplanung des Kreises, die Hochwasserschutz weit über die Gewässerkorridore hinaus betrachtet. Denn Hochwasserrückhaltebecken an den Gewässern haben nur eine geringe Rückhaltewirkung. Entscheidender ist der Rückhalt in der Gesamtfläche der Landschaft. Es rächt sich, wenn Agrarflächen mit Folie oder Glashäusern verbaut, Feuchtwiesen drainiert und fast alle Geländemulden wegen der bequemeren Bewirtschaftung aufgefüllt werden. Zahlreiche Waldwege und Rückgassen tragen zu einer effizienten schnellen Entwässerung der Landschaft bei.

Um dem gegenzusteuern bedarf es nun einer Landschaftsplanung, die diese Mängel aufarbeitet. Rückegassen und das viel zu enge Wegenetz im Wald müssen teilweise zurückgenommen werden. Landwirtschaftliche Drainagen müssen in Frage gestellt und Entwässerungsgräben – wie z.B. im Life+ Projekt Villewälder – (teilweise) wieder verschlossen werden. Verfüllte Mulden im Gelände müssen über historische Karten lokalisiert und wieder als Rückstauraum aktiviert werden. Zugleich muss die massive Bodenverdichtung durch Großmaschinen als schwerwiegender Eingriff in den Naturhaushalt und als Konflikt im Sinne des Bodenschutzgesetzes erkannt werden.

Nicht zuletzt führen hochgradig versiegelte Flächen in den Siedlungsgebieten zu enormen Abflusswerten. Es liegt am Gesetzgeber und an den Kommunen, endlich umzusteuern. Rückstauflächen im Siedlungsbestand fehlen noch immer in fast allen Kommunen. Stattdessen werden systematisch verbliebene Baulücken mit neuen Wohnhäusern ausgefüllt und weitere Flächen versiegelt, etwa 10 ha pro Tag in NRW! Es ist dringend an der Zeit, Niederschlagswasser als Brauchwasser zu speichern, Versiegelungen zurückzunehmen, Rückstauräume in den Siedlungen in Parks, auf Plätzen und in Sportanlagen zu erschließen und Niederschlagswasser nicht mehr vorrangig und aktiv in Fließgewässer abzuleiten. Der Bau von Kellern als Standardbauweise sollte ebenfalls hinterfragt werden.

Informationen zur naturnahen Regenbewirtschaftung finden Sie hier.

 

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